Die mikrobielle Biomasse der Böden im Waldgrenzökoton am Stillberg

(Dischmatal bei Davos/Schweiz)

von

Frank Bednorz 1), Markus Reichstein 2) & Gabriele Broll 1)

1) Institut für Landschaftsökologie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Robert-Koch-Str. 26, 48149 Münster; e-mail: bednorz@uni-muenster.de; brollg@uni-muenster.de
2) Institut für terrestrische Ökosystemforschung - BITÖK, Universität Bayreuth, Dr.-Hans-Frisch-Str. 1-3, 95440 Bayreuth; e-mail: markus.reichstein@uni-bayreuth.de
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Einleitung und Zielsetzung

Die Untersuchungen wurden im Bereich eines sehr steilen, nordostexponierten Hanges des Dischmatals in 2000-2200 m ü. NN durchgeführt ("Stillbergalp" bei Davos/Schweiz; Versuchsfläche der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft). Reliefbedingte Unterschiede des morphologisch stark gegliederten Hanges bewirken eine mikroklimatische Differenzierung des Geländes. Diese spiegelt sich in der Verbreitung der Pflanzengesellschaften sowie der Boden- und Humusformen wider. Von Lawinentätigkeit beeinflußte Runsen werden von Wollreitgrasrasen (Calamagrostietum villosae) auf Eisenpodsolen mit Rhizomulls (Humusformenklassifikation nach Green et al. 1993) bedeckt. Im Bereich von parallel zu den Runsen verlaufenden Rippen sind Krähenbeeren-Vaccinienheiden mit Etagenmoos (Empetro-Vaccinietum hylocomietosum) über Eisen-humuspodsolen unter Humimors verbreitet (Kuoch 1970, Blaser 1980, Bednorz et al. eingereicht).

Zur mikrobiellen Biomasse der Böden an Extremstandorten im Waldgrenzökoton sowie deren Abhängigkeit von kleinstandörtlichen Unterschieden ist bisher wenig bekannt (z.B. Schinner 1978). Ziel der Untersuchungen am Stillberg war daher:

 

Methoden

Um eine Charakterisierung der Standorttypen in bezug auf die mikrobielle Biomasse vornehmen zu können, wurden im Juni 1996 an den Rippen die O-Horizonte und im Bereich der Runsen die A-Horizonte auf jeweils drei 27 m2 großen Flächen beprobt. Pro Untersuchungsfläche standen zwei Flächenmischproben zur Verfügung, wobei eine Flächenmischprobe aus jeweils zehn Einzelproben bestand. Die Bestimmung der mikrobiellen Biomasse erfolgte mit der Substratinduzierten Respiration (SIR) nach Anderson & Domsch (1978), modifiziert nach Martens 1991, Schinner et al. 1993 und der Chloroform-Fumigation-Extraktion (CFE) nach Vance et al. (1987) (vgl. hierzu Tab. 1). Die Kohlenstoff- und Stickstoffgesamtgehalte wurden gaschromatographisch (Carlo-Erba-Autoanalyzer, NA 1500) bestimmt. Die Messung der pH-Werte erfolgte mit der Glaselektrode in einer 0.01 M CaCl2-Lösung. Zur Untersuchung der Lagerungsdichte der Auflagehorizonte der Rippen wurden auf jeder Untersuchungsfläche Stechzylinderproben mit 100 cm3 (n=36) entnommen. Um die Lagerungsdichte

des Feinbodens der Runsen zu bestimmen, ist die Volumenersatzmethode nach Deutschmann et al. 1994 verwendet worden (Probenvolumen ca. 2 Liter). Die Bestimmung der Lagerungsdichte erfolgte nach 24-stündiger Trockung bei 105 °C gravimetrisch.

Tabelle 1: Bestimmungsmethoden zur Ermittlung der mikrobiellen Biomasse

 

Parameter

Methode

Gerät

Berechnung: Biomasse (Cmic)

(Ec und Enin: Differenz fumigiert - unfumigiert des betr. Parameters)

CFE: organischer Kohlenstoff

im Kalium-sulfatextrakt

Oxidation der Kohlenstoff-verbindungen mit Peroxisulfat unter UV-Licht und IR-Analyse des CO2

Heraeus liquiTOC

Cmic = Ec/kEc, Faktor kEc = 0,45 (Joergensen 1996a)

CFE:

ninhydrinreaktiver Stickstoff im Kaliumsulfatextr.

Farbreaktion, photometrisch bei 570 nm

(Joergensen & Brookes 1990)

Perkin Elmer

Lambda 11

UV/VIS-Spektrometer

Cmic = 35,3 x E nin , Joergensen (1996b) für Böden mit pH (H2O)<5

SIR: CO2-

Konzentration im Inkubationsgefäß

(nach 4 h)

 

Gaskreislaufverfahren (Klimanek 1994)

IR-Gasanalysator (IRGA; Binos 1, Fa. Leybold-Heraeus)

Cmic-SIR [mg] = 49,5 x Respirationsrate [ml CO2/h] - 16,7 nach Martens (1987),

für Böden mit pH-Wert < 6

 

Ergebnisse und Diskussion

Corg - und Nt -Gehalte, Bodenacidität, Lagerungsdichte

Die Corg - und Nt -Gehalte in den O-Horizonten der Rippen betragen 40,3 bzw. 1,4 Gew % (C/N: 30), die der A-Horizonte der Runsen 5,7 bzw. 0,4 Gew % (C/N: 15). Bei den Proben der Rippen wurde ein pH (CaCl2) von 3,0 und bei denen der Runsen von 3,6 ermittelt. Die Lagerungsdichte der Auflagehorizonte der Rippen beträgt im Mittel 0,13 g/cm3 (min.: 0,05 g/cm3, max.: 0,27 g/cm3) und die des Feinbodens im Bereich der Runsen 0,42 g/cm3 (min.: 0,39 g/cm3, max.: 0,45 g/cm3).

Mikrobielle Biomasse

Unabhängig von der verwendeten Methode ist die auf den Trockenboden bezogene mikrobielle Biomasse in den Auflagehorizonten der Rippen größer als in den A - Horizonten der Runsen. Im Gegensatz dazu ist die mikrobielle Biomasse bezogen auf den gesamten organischen Kohlenstoff an den Rippen kleiner als an den Runsen. Auf das Volumen der organischen Substanz (Rippen) bzw. des Feinbodens (Runsen) bezogen unterscheiden sich die Werte der mikrobielle Biomasse beider Standorte dagegen kaum. Die Bestimmung der niedrigen Lagerungs-dichten von Horizonten der Humusauflage (Rippen) ist jedoch nicht unproblematisch und kann somit zu Fehlern bei den volumenbezogenen Biomassewerten führen. Die starke Streuung der Werte an den Rippenstandorten läßt auf eine sehr große Variabilität der mikrobiellen Biomasse an diesen Standorten schließen. Innerhalb der Untersuchungsflächen der Rippen konnte ebenfalls eine große räumliche Variabilität der Humusformen bzw. der Mächtigkeiten der Auflagehorizonte festgestellt werden (Bednorz et al. eingereicht). Zur Erfassung der mikrobiellen Biomasse und anderer bodenmikrobiologischer Parameter kann eine Kartierung der Humusformen Hinweise zur Wahl der Probennahmepunkte geben. Könnten beispielsweise an den Rippenstandorten drei Humusformen mit jeweils ähnlichen Lagerungsdichten differenziert werden, wäre eine realistischere Berechnung der mikrobiellen Biomasse möglich, da für die Beprobung eine Untergliederung der Rippenstandorte in drei Teilflächen möglich wäre.

Je nachdem welche Methode verwendet wurde, ergaben sich unterschiedliche Ergebnisse in bezug auf die mikrobiellen Biomassen (Cmic). Die höchsten Werte konnten bei der CFE-Methode festgestellt werden. Hierbei waren die aus dem ninhydrin-reaktiven Stickstoff geschätzten Werte höher als die aus dem extrahierbaren Kohlenstoff abgeleiteten. Die nach der SIR-Methode berechneten mikrobiellen Biomassen lagen deutlich unter den Werten der CFE-Methode.

Die mit der CFE-Methode (geschätzt aus Ec und Enin) ermittelten Gehalte an mikrobiellem Kohlenstoff (Cmic) in der organischen Auflage der Rippen lagen mit 3 bis 6 mg pro g Trockenboden oder 8 bis 14 mg pro g organischem Kohlenstoff (Corg) in einer ähnlichen Größenordnung wie in vergleich-baren Untersuchungen aus organischen Auflagen (Cheng & Virginia 1993, Dilly 1994, Stockfisch et al. 1995). Der A-Horizont der Runsen kann aufgrund der Vegetation (Gräser und Hochstauden) und des Corg-Gehaltes am ehesten mit Grünlandoberböden verglichen werden. Der Gehalt an mikrobiellem Kohlenstoff (mit der CFE-Methode ermittelt) im A-Horizont der Runsen liegt mit 0,8 - 1,9 mg Cmic pro g Trockenboden bzw. 13 - 33 mg Cmic pro g Corg im Bereich der für Grünlandoberböden gefundenen Werte (Dilly 1994, Joergensen 1995).

Abbaubarkeit der organischen Substanz

In der vorliegenden Untersuchung könnten die im Vergleich zu den Ergebnissen der CFE-Methode festgestellten relativ niedrigen Werte der SIR-Methode, als einer relativen Messung der aktiven und auf Glucose reagierenden Biomasse, somit auf eine vorwiegend K-selektierte, d. h. auf leicht abbaubares Substrat nicht so schnell reagierende Mikroorganismengemeinschaft hindeuten (Dilly 1994, Stockfisch et al. 1995, Wardle & Ghani 1995). Offenbar sind die Mikroorganismen im Bereich der untersuchten Horizonte eher an schwer verfügbare organische Substanz angepaßt. Bei den Proben der Runsen waren die methodenbedingten Unterschiede kleiner als bei den Rippenproben, was auf ein höheres Angebot an leicht verfügbarer organischer Substanz im Bereich der Runsen als im Bereich der Rippen schließen läßt.

Die Cmic/Corg-Verhältnisse (berechnet mit CFE: Ec) waren in den untersuchten Horizonten der Runsen höher als in denen der Rippen. Der Anteil der mikrobiellen Biomasse am gesamten organischen Kohlenstoff lag an den Runsenstandorten bei etwa 2 Masse % (Cmic/Corg : 0,02), an den Rippenstandorten dagegen bei ca. 1 Masse % (Cmic/Corg : 0,01). In den meisten Untersuchungen wird ein höheres Cmic/Corg-Verhältnis mit einer hohen Verfügbarkeit des organischen Kohlenstoffs in Verbindung gebracht (z.B. Joergensen et al. 1995).

Schlußfolgerung

Die Cmic/Corg-Verhältnisse, die Corg/Nt-Verhältnisse und die Ergebnisse der substratinduzierten Respiration deuten darauf hin, daß die organische Substanz der A-Horizonte der Runsen für Mikroorganismen leichter verfügbar ist als die der Auflagehorizonte der Rippen. Die CFE-Methode ist der SIR-Methode für die Bestimmung der mikrobiellen Biomasse an derartigen Extremstandorten mit einem hohen Anteil an schwer abbaubarer Substanz vorzuziehen. Zur Untersuchung der großen Variabilität der mikrobiellen Biomasse an solchen Standorten kann eine Humusformenkartierung Hinweise zur Beprobung der Standorte geben. Dieses würde eine bessere Interpretation der Biomassedaten ermöglichen.

Literatur

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Bednorz, F., Reichstein, M., Broll, G., Holtmeier, F.-K. & W. Urfer (2000): Humus forms in the forest-alpine tundra ecotone at Stillberg (Dischmavalley/Switzerland)-spatial heterogenity and classification. Arctic, Antarctic and Alpine Research 32, 21 - 29.

Blaser, P. (1980): Der Boden als Standortsfaktor bei Aufforstungen in der subalpinen Stufe (Stillberg, Davos). Mitt. schweiz. Anst. forstl. Versuchswes. 56, 535-581.

Cheng, W. & R.A. Virginia (1993): Measurement of microbial biomass in arctic tundra soils using fumigation-extraction and substrate-induced respiration procedures. Soil biol. biochem. 25, 135-141.

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Dilly, O. (1994): Mikrobielle Prozesse in Acker-, Grünland-, und Waldböden. Ecosys, Beiträge zur Ökosystemforschung Suppl. Bd. 8, 1-127.

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Kuoch, R. (1970): Die Vegetation auf Stillberg (Dischmatal, Kt. Graubünden). Mitt. schweiz. Anst. forstl. Versuchswes. 46, 329-342.

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Schinner, F., Öhlinger, R., Kandeler, E. & R. Margesin (1993): Bodenbiologische Arbeitsmethoden. Springer, Berlin.

Stockfisch, N., Joergensen, R.G., Wolters, V., Klein, T. & U. Eberhardt (1995): Examination of microbial biomass in beech forest moder profiles. Biol. Fert. Soils 19, 209-214.

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