Mikrobielle Biomasse und Kohlenstoffmineralisierung im Waldgrenzökoton
am Stillberg (Davos / Schweiz) Analyse und Modellierung
Markus Reichstein
Diplomarbeit*
Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wurden im Waldgrenzökoton der Stillbergalp (Davos/Schweiz)
an zwei reliefbedingten, hinsichtlich der Humusform unterschiedlichen Standorttypen
(Hangrippe: Rohhumus unter Zwergsträuchern; Lawinenrunse: Mull unter Reitgrasrasen)
Untersuchungen zu mikrobieller Biomasse und Kohlenstoffmineralisierung mit dem
Ziel durchgeführt, eine bodenökologische Charakterisierung der Standorttypen
vorzunehmen. Zusätzlich sollte an drei Standorttypen (Hangrippe, Nord- und Ostflanke)
die kleinräumige Variabilität (0,2 - 2 m) von Eigenschaften organischer Auflagen
und der Einfluß der Vegetationsstruktur auf sie beschrieben werden. Die Stillbergalp
ist ein 2000 - 2230 m ü. NN gelegener, nordost-exponierter, orographisch stark
gegliederter Hang der oberen subalpinen Stufe, dessen Untergrund von granitoidischen
Paragneisen gebildet wird. Für die Erfassung der kleinräumigen Variabilität
der organischen Auflagen und der Vegetationsstruktur wurden Rasterkartierungen
durchgeführt und nicht-ergodische Korrelogramme berechnet. Die mikrobielle Biomasse
wurde mit der substratinduzierten Respiration (SIR) und der Chloroform-Fumigation-Extraktion
(CFE) untersucht. Die Kohlenstoff-mineralisierung wurde in einer 104-tägigen
Laborinkubation bei 5, 15 und 25° C und 60 % der maximalen Wasserhaltekapazität
ermittelt, mit einem Zwei-Fraktionen Modell beschrieben und mit einem mathematischen
Modell zur Kohlenstoffdynamik auf Feldbedingungen übertragen.
Die geostatistische Analyse ergab:
- Die räumliche Variabilität der erhobenen Parameter war mit Variationskoeffizienten
von bis zu 70 % deutlich höher als in Acker- und Waldflächen des Flachlandes,
wobei selbst innerhalb von 0,2 m noch eine hohe Variabilität der Bodeneigenschaften
vorlag. Sowohl die Vegetationsstruktur als auch der Standorttyp hatten einen
Einfluß auf die Mächtigkeit der organischen Auflage.
- Der für die Waldhumusformenkartierung übliche Stichprobenumfang von 10
müßte im Waldgrenzökoton auf mindestens 30 - 35 erhöht werden, um eine gleich
gute Schätzung der Mächtigkeit zu erreichen.
Die Untersuchungen zu mikrobiellen Parametern brachten folgende
Ergebnisse:
- Bei Anwendung der konventionellen Umrechnungsfaktoren führte die SIR-Methode
zu deutlich niedrigeren Schätzungen der mikrobiellen Biomasse als die Standardparameter
(EC, ENin) der CFE-Methode, wobei die Unterschiede zwischen den Methodenpaaren
in den Hangrippenproben ausgeprägter waren.
- Die mikrobielle Biomasse war, bezogen auf den organischen Kohlenstoff (=
Cmic/Corg), im A-Horizont der Runsen größer als in der organischen Auflage
der Hangrippen, während sich bei Bezug auf den Gesamtstickstoff (= Cmic/Nt)
kaum Unterschiede zwischen Hangrippen und Runsen ergaben.
- Der metabolische Quotient (qCO2) war sehr variabel und unterschied sich
im Mittel zwischen Hangrippen und Runsen nicht.
- Pro Zeiteinheit und Masse Corg wurde in den Runsen mehr Kohlenstoff mineralisiert
als in den Hangrippen.
- Die Kohlenstoffmineralisierung korrelierte mit C- und N-Gehalten (gesamt
und extrahierbar) bei den Runsen stärker positiv als bei den Hangrippen. Mit
Biomasse-Parametern waren nie positive Korrelationen festzustellen.
Aus den mikrobiellen Parametern sind folgende Schlußfolgerungen möglich: Das
im Vergleich zu den Runsen niedrigere Cmic/Corg-Verhältnis der Hangrippen deutet
im Zusammenhang mit dem weiteren Corg/Nt-Verhältnis und der langsameren Kohlenstoffmineralisierung
auf eine schlechtere Qualität der organischen Substanz der Hangrippen und eine
stärkere Limitierung der Mikroorganismen durch andere Faktoren als Kohlenstoff
hin. Einen Hinweis auf einen höheren Anteil dormanter bzw. K-selektierter Mikroorganismen
oder höhere Streßintensität (sensu GRIME) in den Hangrippen im Vergleich zu
den Runsen stellt das dort geringere SIR/EC-Verhältnis dar.
- Die Temperaturabhängigkeit der Kohlenstoffmineralisierungsraten zwischen
5 und 25° C ließ sich am besten mit einem temperaturunabhängigen Q10 von 2,5
und 2,8 (Hangrippen bzw. Runsen) beschreiben. Der Q10 des jeweils aktuellen
CO2-Effluxes war zeitlich nicht konstant.
- Die Übertragung der Kohlenstoffmineralisierung von Labor- auf Geländebedingungen
war mit großen Unsicherheiten verbunden. Die Schätzung der jährlichen Kohlenstoffmineralisierung
hing stark von den verwendeten Modellen der Temperaturabhängig-keit der Kohlenstoffmineralisierung
ab.
- Die jährliche Kohlenstoffmineralisierung wurde in den Hangrippen und Runsen
auf ca. 50 - 100 g CO2-C m-2 a-1 geschätzt (bei 3 - 4 mal schnellerem Turnover
in den Runsen). Die Kohlenstoffmineralisierung außerhalb der Vegetationsperiode
ist dem Modell zufolge nicht zu vernachlässigen (mindestens 15 % der jährlichen
Kohlenstoff-mineralisierung).
Zusammenfassend können die Hangrippen als Systeme mit hoher Streß- und geringer
Störungsintensität, die Lawinenrunsen dagegen als Systeme mit hoher Störungs-,
aber relativ geringer Streßintensität charakterisiert werden.
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