Stoffwechsel der Erde erfasst – überall und zu jeder Stunde
Dank der nächsten Generation Daten-getriebener, KI-basierter Erdsystemmodelle können Forschende den Stoffwechsel der Erde nun in noch nie dagewesener Detailtiefe sehen – überall an Land und zu jeder Stunde des Tages. Der „Atem“ der Erde wird als Gasaustausch von Landökosystemen mit der Atmosphäre überwacht, ihr „Schweiß“ als Austausch von transpiriertem Wasserdampf und Energie. Dies wird die Tür öffnen zu einem genaueren Verständnis der Funktionsweise natürlicher Systeme von der lokalen bis zur größeren Ebene. Diese Modelle sind für die Überwachung der Treibhausgasbudgets und letztlich für die Entscheidungsfindung im Hinblick auf den Klimaschutz von entscheidender Bedeutung.

Die neue Modellierungsumgebung, die dies ermöglicht, heißt FLUXCOM-X. Sie wurde in einer globalen interdisziplinären Zusammenarbeit am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena entwickelt. Mit dem neuen Modell können Forschende kritisch bewerten, wie die geschätzte Atmungs- und Schwitzaktivität von Ökosystemen durch methodische Entscheidungen im Modellierungsprozess beeinflusst wird.
Der Modellierungsansatz basiert auf einem Netzwerk von Stationen, die den Austausch von CO2, Wasser und Energie weltweit messen. Von kleinen Landflächen an den Stationen aus können die Wissenschaftler zu einer „Vogel- oder sogar Satellitenansicht“ größerer Regionen und sogar des gesamten Globus „herauszoomen“. Dies erreichen sie, indem sie die Messdaten des Netzwerks mit Satellitenbeobachtungen und maschinellem Lernen kombinieren. Dadurch erhalten sie Schätzungen für alle Orte, an denen keine Stationsmessungen verfügbar sind. Mit diesem Upscaling-Ansatz können sie beispielsweise quantifizieren, wie viel CO2 ein Wald in einem bestimmten Jahr aufgenommen hat oder wie stark Ökosysteme unter Trockenheit gelitten haben. Der Ansatz hilft auch, die beobachtete Variabilität der CO2-Konzentration in der Atmosphäre besser zu verstehen. Diese Methode zur Modellierung der Biosphäre der Erde basiert ausschließlich auf Beobachtungsdaten.

Die zugrundeliegende Methodik wurde in ihren Grundzügen bereits vor vielen Jahren entwickelt und hat zur Veröffentlichung weit verbreiteter globaler Datensätze geführt. Die größte Neuerung der neuen Implementierung FLUXCOM-X besteht darin, dass sie relativ einfaches Experimentieren mit stark automatisierten Arbeitsabläufen ermöglicht. Jake Nelson, einer der leitenden Wissenschaftler, die das Modell entwickelt haben, merkt an, dass „die Arbeit stark von der Pioniererfahrung und dem Fachwissen von Martin Jung sowie von dem vielfältigen Fachwissen des internationalen FLUXCOM-X-Teams und der Kolleg*innen vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie profitiert hat.“ Dieses große Team brachte Fachwissen aus so unterschiedlichen Disziplinen wie Ökophysiologie, Mikrometeorologie, Fernerkundung, maschinelles Lernen und wissenschaftliche Programmierung zusammen. Die Arbeit stützt sich auch grundlegend auf eine große Anzahl von Forschenden und Techniker*innen weltweit, die Hunderte von Messstationen betreiben, ihre Daten messen, verarbeiten und in Netzwerken wie FLUXNET, ICOS und AmeriFLUX zur Verfügung stellen. „Die rechtzeitige Verfügbarkeit und Einbeziehung globaler Satellitenbeobachtungen ist von entscheidender Bedeutung“, fügt Sophia Walther hinzu, die Co-Leiterin der Forschung hinter FLUXCOM-X.
Die neue Modellierungsumgebung deckt erstmals die Wasserdampfströme weltweit ab, basierend auf Messungen und Berechnungen von meteorologischen und Evapotranspirationsdaten. Die Modelle werden bei der globalen Überwachung der Treibhausgasbudgets eine entscheidende Rolle spielen. In Kombination mit atmosphärischen Inversionen können Wissenschaftler die Quellen und Senken von Treibhausgasen besser erkennen. Dies wird es ihnen letztlich ermöglichen, bessere Politikempfehlungen für den Klimaschutz zu entwickeln.